Die Erfahrung der Langsamkeit
Meine Leierkastenreise 2015 mit dem Trecker
Mein Schwiegersohn ist in unserer Familie für ausgefallene Abenteuer-Ideen bekannt. So kaufte er im letzten
Jahr einen Oldtimer-Traktor. Wozu braucht man denn so etwas in der Großstadt Berlin? "Na, zum Rumfahren..."
war seine Antwort.
Und damit kam ich zu einem besonderen Weihnachts-
geschenk: Eine Woche Leierkastenreise mit dem Trecker!
Und ich möchte es nicht verhehlen: Ich freute mich riesig
auf dieses Abenteuer.
Ende Juni 2015 war es dann soweit. Von einem Nachbarn
lieh ich mir einen 2,25 m langen Anhänger mit Plane aus.
In diesem verstaute ich meinen Leierkasten und die weite-
ren Reiseutensilien. Er war übrigens lang genug für die
Luftmatratze. Ich würde im Anhänger also auch schlafen
können. Der Wetterbericht versprach zwar kein Superwet-
ter, aber meine Ungeduld ließ mich alle Bedenken beiseite-
schieben. Mein Ziel war der Wallfahrtsort Neuzelle an der
Oder. Auf dem Weg nach dorthin liegen die Orte Königs
Wusterhausen, Storkow und Beeskow, in denen ich mir
lohnendes Drehorgelspiel vorstellte.
Frohen Mutes machte ich mich auf den Weg. Die 28 PS
aus 1,7 Liter Hubraum des grünen DEUTZ-Traktors, Baujahr 1963
brachten mich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 18 km über die
brandenburgische B 246 zunächst nach Königs Wusterhausen bei
Berlin. Nachdem ich den Trecker samt ungewohntem Hänger einge-
parkt hatte, lud ich den Leierkasten aus. Ich begann auf dem Markt
in der Bahnhofstraße mit meinem Drehorgelspiel. Doch schon nach
sehr kurzer Zeit kam der Marktmeister und verbot mir das Spielen.
Vom "Marktflair" verstand er anscheinend nicht viel, und so stellte
ich mich am Bahnhof auf. - Nun, nach einer Stunde hatte ich gerade
mal 4,37 € in meiner Schale, nahezu das gesamte Publikum ging
achtlos an mir vorüber. So stellte ich die Orgel frustriert in den Hän-
ger und fuhr weiter. Mein Ziel zum Abend war der Campingplatz in
Bestensee, den meine Cousine mit ihrem Mann betreibt. Am Abend was man so alles
braucht.......
sollte ich dort in der Gastronomie aufspielen.
Ab 20 Uhr spielte ich zwei Stunden lang vor sehr interessiertem Publikum, bei einigen Freibieren (und mit
großem Einnahmeergebnis), bevor ich mich zur ersten Nacht auf die Luftmatratze in meinem Anhänger begab.
Das erste Ziel am nächsten Tag war Storkow. Dieser Ort besteht allerdings größtenteils nur aus der
Durchgangsstraße. Eine Ortsmitte mit Atmosphäre konnte ich nicht ausmachen, und so fuhr ich ohne Halt
auf der B 246 hindurch, weiter in Richtung Beeskow. Als ich in dort ankam war es bereits 14.30 Uhr. Mit einem
Trecker kommt man eben an seinem Ziel an, wenn der Trecker es will, nicht wenn man es selber möchte. Und in
einer Kleinstadt ist bei durchwachsenem Wetter an einem Sonnabendnachmittag um 14.30 Uhr einfach nichts
mehr los. Ich kam in eine völlig menschenleere Innen-
stadt. Sogar die Einnahme einer einfachen Mahlzeit
war zu dieser Zeit nicht mehr möglich. Mit knurrendem
Magen verließ ich die Stadt in der Hoffnung, irgendwo
am Wegesrand wenigstens ein Cafe zu finden. Aber
auch damit ist es in diesem Teil Brandenburgs sehr
schlecht bestellt. Erst gegen 17 Uhr entdeckte ich ein
etwas unscheinbares Restaurant, das ich sofort für ein
bescheidenes Gericht ansteuerte.
Mittlerweile ging es auf den Abend zu und ich schaute
nach einem Schlafplatz für mich und mein Treckerge-
spann. In der Gegend nahe des Naturschutzgebietes
"Schlaubetal" fand ich eine unscheinbare Nebenstraße
in die ich kurzerhand einbog. Aber was war das für eine
Straße: Defektes, löcheriges Kopfsteinpflaster! Zwar toll
für den Trecker, aber schlecht für den Hänger und sehr
schlecht für dessen Ladung, meinen Leierkasten. Als
hätte ich eine Kiste roher Eier geladen, schlich ich über das holperige Pflaster bis ich einen geeigneten Platz
fand, wo ich übernachten konnte. Zum Glück war die Straße weit abseits gelegen und deswegen völlig
verkehrsfrei, so daß ich als gänzlich Ungeübter den Hänger (sicherlich sehr ungeschickt) über längere Zeit
rückwärts rangieren konnte.
Endlich stand er einigermaßen waagerecht, und ich bereitete mein Nachtlager vor. Dabei setzte bereits leichter
Regen ein, der dann die ganze Nacht über nicht aufhören sollte. Die Plane hinten hochgerollt, begann ich alte
Fahrtenlieder zur Gitarre zu singen, während ich in den Regen schaute.
Irgendwann trieb leichter Wind den Regen in meine "gute Stube". So schloß ich die Plane und legte mich zur
Ruhe.
nächster
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