Drehorgelspielen in Berlin
Für mich ist das Drehorgelspielen untrennbar mit dem
“Leierkastenmann“ unten auf dem Hof verbunden. Deshalb
spiele ich meine Drehorgel fast ausschließlich auf den
Höfen Berlins. Aber leider sind die wirklich schönen und
sehenswerten Innenhöfe heutzutage verschlossen.
Vandalismus und Graffiti-“Künstler“ richten zu viele Schäden
an, die dann wieder mit viel Aufwand beseitigt werden
müssen.
Schade, es ist leider ein Hindernis für das Drehorgelspielen
und damit bleibt mir obendrein als interessiertem Betrachter
der Stadt auch sicherlich manches architektonische Kleinod
verborgen.
Für das Drehorgelspielen selbst ist daher die sog. „offene
Bauweise“ besser geeignet. Die Zeilenbebauung der
Neubauten, vorwiegend in den Außenbezirken.
„Man, seit 15 Jahren wohn’ ick hier, und du bist der erste Leiakastenmann, der hier vorbeikommt....“ rief mir
jemand vom Balkon zu, als ich das erste Lied auf der Rasenfläche vor der Häuserfront beendet hatte.
Solche oder ähnliche Äußerungen höre ich sehr oft. Das „freie“ Drehorgelspielen, „auf eigene Rechnung“
sozusagen, ist selten geworden. „Wofür spielen Sie? - Sind Sie bestellt?“ werde ich deshalb auch oft gefragt. Und
die Leute sind dann ganz verwundert, wenn ich antworte: „Ich spiele Leierkasten, weil es mir Spaß macht, das ist
mein Hobby.“
Und wenn ich dann die Notenrolle zurückspule, komme ich oft mit den dortigen Mietern ins Gespräch. Immer
wieder Ist man erstaunt, daß mal wieder ein Drehorgelspieler vorbeikommt. Sicherlich, an den „Touristenecken“
steht ab und zu ein „Kollege“, auch weiß man, wie man einen bestellt. Aber wenn ich nun plötzlich und unerwartet
auftauche, bin ich immer willkommen. Und dann nach ein zwi Liedern springt fast immer ein Funke zwischen
meinem Publikum und mir über. Wenn ich dann sehe und merke, wie sich die Leute über meine Anwesenheit
freuen, dann erlebe auch ich immer wieder die große Freude an meinem Hobby.
Weitere Erlebnisse:
Freilich, ich es ist vielleicht zunächst ein eigenartiges
Gefühl, so allein dazustehen, und der Mittelpunkt des
Geschehens zu sein.
Es mag so aussehen, daß ich dann ein „Pausenclown“
für alle bin, ein Stück exotisches, was man betrachtet
und sich darüber belustigt.
Und immer wieder wird mir versichert, daß ich ihnen mit
meiner Anwesenheit Freude bereitet habe.
Ja, ich spiele gern Drehorgel. Dabei bin ich dann ein
Bestandteil einer vorgetäuschten „heilen Welt“, die es
auch in der „guten alten Zeit“, als das Spielen der
Drehorgeln noch wirkliche Not linderte, nicht gegeben
hat, und die es wahrscheinlich auch nie geben wird.