Leierkastenreise 2003
Meine Leierkastenreise im Jahr 2003 führte mich von Berlin aus
westwärts bis nach Xanten am Niederrhein, nahe der holländischen
Grenze. Xanten als Ziel deshalb, weil ich dort in Marienbaum einen
alten Bekannten, den es im Laufe der Zeit dorthin verschlagen hat,
besuchen wollte.
Während dieser Reise wollte ich nach Möglichkeit von den
Einnahmen meines Drehorgelspiels leben. Mein erster
"Gastspielort" sollte die Stadt Hameln sein. Ich hatte diesen Ort
einige Jahre zuvor schon einmal mit meiner Frau besucht, und hatte
daher ziemlich genaue Vorstellungen, wo ich mich aufstellen wollte.
Eine solche konkrete Vorstellung beruhigt etwas die Aufregung, die
mich zu Beginn einer solchen Unternehmung befällt.
Ich belud das Auto mit der Orgel und diesmal auch mit einem
kleinen Zelt, was seit dem Auszug unserer nun inzwischen
erwachsenen Kinder ein vergessenes Dasein auf dem Dachboden
fristete. Dazu noch einen alten Schlafsack, sowie neben ein paar
Flaschen Bier und Selters auch noch einige andere "nützliche"
Dinge, wie z.B. meine alte Gitarre aus der Pfarrjugendzeit.
So also ziemlich chaotisch ausgerüstet machte ich mich auf den Weg westwärts. Als Berliner staune ich doch
immer wieder, wie schnell man die Strecke bis z.B. Braunschweig zurückgelegt hat, seitdem die Mauer nicht mehr
ist. Zwei CD’s mit Wander- und Fahrtenliedern und einer weiteren von Cindy und Bert, den Lieblingsinterpreten
meiner Jugendfahrtenzeit, waren kaum abgespielt als ich Hameln erreichte. Die Parkplatzsuche gestaltete sich
selbst in der Innenstadt recht unproblematisch und bald stand die Orgel auf dem Orgelwagen. - Weste
übergestreift... Hut aufgesetzt – und schon ging’s los.
Am Rathaus vorbei, und die beiden Straßen der Fußgängerzone entlang. Obwohl an diesem Dienstagnachmittag in
der Stadt recht reger Passantenverkehr war, waren die Einnahmen anfänglich doch recht bescheiden. Langsam ging
ich die Straßen entlang. Auffallend viele Besuchergruppen und Stadtführungen beobachtete ich, die einem auf dem
Pflaster aufgemalten Strich zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt folgten. Um die Erklärungen der Stadtführer nicht
allzu sehr durch mein Orgelspiel zu stören, hielt ich mich möglichst von ihnen etwas fern, bzw. stellte das Spielen
kurzzeitig auch ein, was von den Stadtführern mehrmals freundlich zur Kenntnis genommen wurde.
Die dreieinhalb Stunden Drehorgelspiel in der historischen Stadtkulisse haben mir trotz ausgesprochen geringer
Einnahmen dann aber doch viel Spaß gemacht. Schließlich war es strahlender Sonnenschein gewesen, und es war
der erste Tag einer Reihe von Tagen, an denen ich eine traumhafte Möglichkeit hatte: ich konnte Orgelspielen "bis
zum Abwinken". Die Vorübergehenden waren durchweg freundlich, mit einigen habe ich auch ein paar nette Worte
gewechselt.
Gegen 18.30 hatte ich allerdings noch kein Essen im Restaurant zusammen und so kaufte ich kurzerhand in einem
Supermarkt am Stadtrand einiges für eine rustikale Abendbrot.
Das Ziel des nächsten Tages sollte die Stadt Münster sein. Warum, weiß ich auch nicht so recht. Vielleicht, weil mir
der Name besonders bekannt war. Auf dem Weg dorthin bog ich von der Straße in einen Feldweg ein, um mir ein
Plätzchen für mein Abendpicknick zu suchen. Und in einem kleinen Wäldchen fand ich auch einen geeigneten
Platz, wo ich auch beschloß, für diese voraussichtlich sehr warme Nacht kein Hotel aufzusuchen, sondern hier
unter freiem Himmel zu schlafen.
Zunächst aber packte ich mein Abendessen aus, wobei sich der Drehorgelwagen als geeignete Sitzgelegenheit
erwies. Nach einem wahrhaft fürstlichen Vagabunden-Menü am Waldrain (ein paar Knacker (Hartwürste),
Schrippen und Bier) holte ich meine Gitarre hervor und begann seit Jahren mal wieder die alten Fahrtenlieder zu
singen. Es war einfach herrlich: niemand störte sich daran, daß ich mich aufgrund der jahrelang fehlenden Übung
andauernd verspielte, oder daß ich die Griffe nicht mehr so richtig hinbekam. Und überdies sang ich laut (und
sicherlich auch manchmal falsch) und keiner sagte: „Hey, hör doch endlich auf!“