Das Unwetter blieb aber in dieser Nacht aus. Es war weiterhin heiß und stickig, ganz besonders in meinem
Hotelzimmer. Als ich deswegen das Fenster geöffnet hatte nahm ich kurz darauf einen Kampf mit den
Mücken auf, den ich jedoch schon nach kurzer Zeit aufgeben musste und dann meinen Körper den Mücken
zum Fraß überließ. – Eigentlich hätte ich auch draußen schlafen können, da wäre es sicherlich luftiger und
kühler gewesen!
Nach einem ausgiebigen Hotelfrühstück (zwei Schrippen noch heimlich eingesteckt) ging’s Richtung
Marienbaum zu einem gegen Mittag mit meinem Bekannten verabredeten Treffen. Den Vormittag über spielte
ich noch in Xanten, dem Hauptort der dortigen Gemeinde. Auch hier hatte ich wieder den herrlichsten
Sonnenschein und auch viele Touristen, die dort den "Archäologischen Park Xanten" besuchen wollten.
In Xanten am Niederrhein muß der 2. Weltkrieg sehr gewütet haben. Es gibt dort nahezu keine Altstadt. Das
einzige was da wohl "alt" ist, sind wohl die neu aufgebauten Römerhäuser im archäologischen Park. Ich rollte
spielenderweise mit meiner Orgel die dortige Fußgängerzone auf und ab. Die Stadt war voll von Leuten, die
ihre Stadteinkäufe machten sowie den bereits erwähnten Besuchern, die den Tag mit einem späten Frühstück
in einem der vielen Straßencafes begannen. Die an diesem Sommertag in der Luft liegende Stimmung war
gut und beschaulich, und dementsprechend konnte ich auch mit meinen Einnahmen zufrieden sein.
Den Nachmittag verbrachte ich dann zusammen mit meinem Bekannten und wir plauderten in Marienbaum in
einem hübschen Gartenlokal über vergangene gemeinsame Zeiten in Berlin und inzwischen Erlebtes.
Im Laufe des Nachmittags war es beinahe unerträglich warm geworden. Lediglich in meinem klimatisierten
Blechgehäuse auf Rädern war es jetzt am frühen Abend und während der begonnenen Rückfahrt noch
angenehm auszuhalten. Draußen schwirrte die Luft, und man meinte, schon ein herannahendes Gewitter zu
spüren. So sah ich mich nach einer Bleibe mit festem Dach für die Nacht um. Ein Schild an der Straße machte
mich auf einen Bauernhof mit Zimmervermietung aufmerksam. Aber dort war alles belegt. Dann fiel mein
Blick auf ein Schild "Schlafen im Heu" und ich fragte die Bäuerin, was es denn damit auf sich hätte.
Ja, wenn ich das wolle, könne ich auch im Heu schlafen, sie würden das normalerweise für Jugendgruppen
anbieten. Es seien aber zur Zeit keine da, und ich hätte den ganzen Heuboden für mich alleine.
Na bitte, das war doch wieder wenigstens ein Hauch von "Abenteuer"! Wenn auch ein sehr nobles: Frisches
Heu auf einem splitterfrei geschliffenen Dielenboden unter dem Dach, darunter im Erdgeschoß peinlichst
saubere Toiletten, weiß geflieste Duschen mit flauschigen Handtüchern.... Manches einfache Landhotel
würde da wohl nicht mithalten können.
Ich legte meinen Schlafsack auf die dicke Lage Heu und stellte fest, daß ich eine Menge „Kleinteile“ wie
Autoschlüssel, Uhr, Geldbörse, Handy, Flaschenöffner usw. verlustsicher verstauen musste, sonst wären sie
gewiß verloren gegangen.
Ich machte es mir in meinem Schlafsack auf dem Heu gemütlich und schaute durch die offenstehende
Heubodentür den herannahenden Gewitterwolken zu.
Und mit einbrechender Dunkelheit kam Leben in diesem Heuboden auf: drei oder vier Katzen kamen
abwechselnd zu mir, stupsten mich immerzu an und wollten, daß ich mit ihnen spielen sollte. Das tat ich dann
auch.
Noch lange habe ich an diesem Abend schlaflos in meinem Schlafsack gelegen und war entzückt, daß ich
wieder ein kleiner Junge sein durfte, der ein Abenteuer erlebt. Und: ich habe an diesem Abend meine
Tabletten vergessen – ich glaube, ich brauchte sie auch gar nicht.
Das Gewitter während der Nacht brachte dann etwas Kühle für den folgenden Vormittag, an dem ich in der
hübschen Kreisstadt Borken/Westf. spielte. Die Stadt war überwiegend von Hausfrauen, die ihre
Stadteinkäufe machten belebt, und es war ein dreistündiges, gemütliches Drehorgelspiel. Als um die
Mittagszeit der Passantenverkehr dann deutlich geringer wurde, packte ich wieder meine Orgel ins Auto und
zog weiter. Als nächste Stadt hatte ich mir Rinteln auserkoren: nicht weit von der Autobahn entfernt und mit
einem für mich bekannten Namen.