Kaum war meine Orgel verstummt, war sogleich dieser begehrte Platz durch den Gitarrenspieler besetzt. Nur, dieser hatte Pech:
erneut setzte leichter Regen ein, der das Publikum entschwinden ließ.
Ich verstaute die Orgel im Auto und wollte mir Weiteres von Marburg ansehen. Schließlich hatte ich bisher nur "gearbeitet" und
kannte nur den Platz mit dem Dienstmann-Denkmal. Aber die Elisabeth-Kirche war bereits geschlossen, und durch den Regen
machte eine Stadtbesichtigung auch nicht gerade Spaß.
Während der letzten Stunden war es sehr schwül
gewesen, und ich verspürte die dringende
Notwendigkeit eines Duschbades. Deswegen steuerte
ich nach einem üppigen Abendessen in einem Lokal für
die nächste Nacht den Campingplatz in Marburg an.
Leider hatte dieser für mich lediglich die Annehmlichkeit
der Dusche zu bieten. Ein abendliches Gitarrespielen
und Fahrtenlieder singen ist auf einem Campingplatz
zwischen "gemütlichen Wohnwagen mit
Gartenzwergen" und hundemüden Radtouristen eben
nur schwer möglich. Außerdem war auf diesem Platz die
ganze Nacht über keine Ruhe: der Platz liegt direkt
hinter der Schallschutzwand der auch des Nachts
vielbefahrenen B3.
Am nächsten Morgen ging es weiter zur nächsten größeren Stadt: nach Gießen. Die dortige große Fußgängerzone war sehr belebt
und versprach eine einträgliche "Vormittagsschicht". Zwar stellte es sich an Ende dann doch nicht so dar, aber in Gießen bin ich mit
der Drehorgel offenbar eine Besonderheit gewesen, und bin mit einem Bild in die dortige Lokalzeitung gekommen.
Der nächste größere "Punkt” in meinem Autoatlas war Wetzlar. Dort gibt es ein "Zentrum" und eine "Altstadt". Ich entschied mich
für den Wegweiser "Altstadt", was ich für den Leierkasten für angebrachter hielt. Aber diese bot leider nur wenige Zuhörer. Es war
inzwischen sehr warm geworden, die Touristen mieden die Stadt. Nach einem nicht gerade einträglichen Drehorgelspiel besichtigte
dann den Wetzlarer Dom und sah zum ersten Mal eine Kirche, die von der katholischen und evangelischen Gemeinde gemeinsam
genutzt wird. Es gibt dort, einträchtig hintereinander angeordnet, einen "evangelischen" und einen "katholischen" Altar.
Bei der Weiterfahrt fand ich erneut einen vielversprechenden
Waldweg, der eine einsame Nacht versprach. - Die Nacht dort
war zwar ruhig, aber zuvor - am Abend - als ich mit der Gitarre
vor dem Zelt saß, kamen immer wieder Spaziergänger mit und
ohne Hund vorbei. Aber alle grüßten freundlich: "Guten
Abend..." -- Vielleicht hat mich so manche(r) um meinen
romantischen Abend, mit der Gitarre vor dem Zelt sitzend,
benieden.....
Jetzt war ich kurz vor Limburg. Gemäß meiner unbestimmten Planung eigentlich einen Tag zu früh. Vorher könnte ich noch in
Weilburg spielen. In Gießen hatte die Frau von der Zeitung gesagt, daß dort eine schöne Altstadt sei. Aber um 10 Uhr früh waren dort
noch sehr viele Parkplätze frei, was schon im Vorfeld auf eine nicht sonderlich belebte Stadt schließen ließ. Nun ja, die Zeit ließ sich
zunächst wieder mit einem ausgedehnten Frühstück am Marktplatz überbrücken. Irgendwann müsste ja auch hier das "Leben"
beginnen. Aber auch um 11 Uhr war hier noch nicht viel los. Und nach einer Stunde Spielzeit hatte ich das geringste Ergebnis der
Reise eingespielt.
Leicht frustriert machte ich mich nun auf das letzte Stück zum (wirklich einzigen geplanten) Ziel der Reise, nach dem nun bereits
nahen Limburg. Als erstes besichtigte ich den Dom (was ich mir ja schon zuhause vorgenommen hatte). Auf dem Weg dorthin stellte
ich schon mal fest, daß die Altstadt sehr viele Steigungen hat. Ein Spielen während des Weiterschiebens der Orgel würde nur
schwerlich möglich sein. Aber dieses Problem stand ja erst nach der Dombesichtigung an.
(für interessierte: Der Dom ist baugeschichtlich wirklich sehenswert, aber auch für entsprechend Interessierte kommt das Spirituelle
bei einer Besichtigung nicht zu kurz!).